(M)eine Yogageschichte

Datiert sind allerdings die Anfänge von Yoga in Nürnberg. 1958 leitete der Exilrusse Boris Sacharow den ersten Yogakurs an der Nürnberger Volkshochschule. Die „Indische Körperertüchtigung für Körper, Geist und Seele“ berief sich auf den bekannten indischen Arzt und Yogalehrer Swami Sivananda, der als Arzt und Gründer der ersten strukturierten Yogalehrerausbildung in Rishikesh/Indien auch westliche Schüler ausbildete. Darunter, neben Andre van Lysbeth, auch Sacharow.
Ein paar Jahre später, 1972, war Yoga in Nürnberg schon fast ein Boom geworden. Man übte dicht an dicht in Schulturnhallen auf Wolldecken in kurzer Turnhose oder schwarzem Gymnastikanzug. Fast so wie in indischen Ashrams. Yoga-Slogan Shirts, rutschfeste und weichmacherfreie Matte unter Yoga-Towel waren zu dieser Zeit ebenso unbekannt wie offene Kurse in Yoga-Lofts. „Mensch, Natur, und Universum befinden sich in Abhängigkeit voneinander, entwickeln sich miteinander in steter Wechselbeziehung. Die Vervollkommnung jedes noch so kleinen Wesens stellt einen Baustein dar für die Vollendung des universellen Gesamtgebäudes, jeder ist mitverantwortlich, jeder an seinem Platz, jeder mit seinen besonderen Talenten“, umschrieb es die Yogalehrerin Helmtrud Wieland, die Yogalehrerin meiner Mutter. Wir alle kommen aus demselben Wald, lehrte sie schon damals - und war damit erstaunlich modern. Ob meine Mutter zum Eins-Werden mit Gott oder dem Universum hinging, sei dahingestellt. Ich glaube eher, dass meine Mutter das Körpertraining in Kombination mit der Entspannung gesucht hat - sie war alleinerziehende Mutter mit Vollzeitjob. Und sie war nach jeder Yogastunde tatsächlich entspannt, jung und schön.
Ich durfte nur einmal mitgehen, als sie keine Betreuung für mich fand. Es war mucksmäuschenstill. Menschen mittleren Alters, in meinen Augen uralt, schnauften gemeinsam unter Anleitung der etwas schnarrenden Stimme der Kursleiterin, um schließlich ohne Mühe den Bauch einzuziehen und wieder hervorschnellen zu lassen oder auf dem Kopf zu stehen. Das war nicht wie heute ein individuell ausgerichtetes, liebevolles An-Die-Hand-Nehmen, das war totale Disziplin. Disziplin, die das Denken zur Ruhe bringt, um erstaunliche Kräfte zum Vorschein zu bringen. Meine Mutter stand sonst nie auf dem Kopf. Später erzählte sie, sie hätte es auch nur in ihrem Kurs hingekriegt. Die Energien der Gruppe hätten sie getragen und unterstützt.
Das war großartig. Ich wollte das auch können. Und habe mich viel später zur Yogalehrerin ausbilden lassen. Heute gibt es neben Hatha-Yoga auch Power-, Vinyasa-, Bikram- oder Ashtanga Yoga. Die Palette ist breit. Das westliche Ego, das im Yoga eigentlich sublimiert werden soll ist so groß, dass neben dem persönlichen Stempel gleich das Copyright aufgedruckt wird. Das spült Geld in die Kassen, denn die Ausbildungen sind lizensiert und entsprechend teuer. Und nur mit Ausbildungen lässt sich im Yogageschäft wirklich Geld verdienen. Dabei hat uns die indische Welt dieses Wissen kostenlos zur Verfügung gestellt. Dies halte ich nicht grundsätzlich für schlecht. Wir leben in einer konsum- und gewinnorientierten Welt. Trotzdem bin ich froh, dass es noch Vereine und neutrale Ausbildungsorganisationen gibt, die dem ursprünglichen Yogagedanken mehr entsprechen. So ist das in der Geschichte, auch in der Yoga-Historie. Alles ist im Wandel und unterliegt der ständigen Veränderung. Jedem sein Belief. Lasst uns uns lieben und flexibel bleiben – entspannt im Hier und Jetzt.
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